Berlin. Lohnfortzahlung und Freistellung im Ernstfall? Das gilt nicht für alle ehrenamtlichen Helfer. Die DRK-Präsidentin fordert einheitliche Regeln.

Die Bundesregierung will das Ehrenamt stärken – doch tatsächlich dürften sich viele ehrenamtliche Helfer von der Politik eher im Regen stehengelassen fühlen. Konkret geht es um Ungerechtigkeiten, die seit Jahren bekannt sind und den Vorwurf, lediglich Retter zweiter Klasse zu sein.

Betroffen sind ehrenamtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), den Johannitern oder den Maltesern. Sie müssen – anders als Ehrenamtler bei den Feuerwehren oder dem Technischen Hilfswerk (THW) – für Schulungen und auch für Einsätze zum Teil Urlaub nehmen und auch um ihre Bezahlung bangen. Ein Unding, findet das DRK, das jetzt auf Änderungen pocht.

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Ehrenamt: DRK-Präsidentin Hasselfeldt sieht Verbesserungen – aber nicht überall

„Das ist seit Jahren ein riesiges Problem und ich werde zunehmend ungeduldig“, entrüstete sich DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich sehe nicht ein, dass die Helferinnen und Helfer, die von anerkannten Hilfsorganisationen kommen und dieselbe Arbeit machen und bei denselben Großlagen wie etwa bei der Flut im Ahrtal tätig sind, unterschiedlich behandelt werden, was zum Beispiel die Ausbildung, die Freistellung vom Arbeitsplatz und die Lohnfortzahlung betrifft“, so Hasselfeldt weiter.

Immerhin: In einigen Bundesländern seien „leichte Verbesserungen“ erreicht worden. Als Beispiele nannte Hasselfeldt dafür das Saarland, Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg. „In anderen Ländern gibt es gar keine Freistellung und Lohnfortzahlung“, kritisierte sie.

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Ehrenamt: Helfergleichstellung gleicht einem bundesweiten Flickenteppich

Tatsächlich gleichen die Regelungen in dieser Hinsicht einem bundesweiten Flickenteppich. Und so kann es passieren, dass sich bei Überflutungen, die zum Beispiel mehrere Bundesländer betreffen, ehrenamtliche Helfer unter verschiedenen rechtlichen Regelungen gegenüberstehen. Eine aktuelle Auswertung des DRK, die dieser Redaktion vorliegt, zeigt wie unterschiedlich die Lage ist.

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In Bayern etwa werden Ehrenamtler der Hilfsorganisationen zwar bei Einsätzen bezahlt freigestellt, für die Ausbildung gilt das aber nicht. Auch in Hamburg müssen die Helfer Urlaub nehmen und eine Lohnfortzahlung ist „nur teilweise gegeben“ – für Schulungen und in Teilen auch bei Einsätzen, die nicht als Katastrophenfall gelten. Lücken, was die Gleichstellung der Helfer angeht, gibt es auch in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt.

Ehrenamt: Feuerwehr und THW plädieren ebenfalls für Änderungen

Die DRK-Präsident Hasselfeldt fordert nun eine „bundesweit einheitliche Regelung für Ehrenamtliche – sowohl in Einsatzfällen, auch außerhalb einer förmlichen ‚Katastrophe‘, als auch bei Aus- und Fortbildungen und der sozialen Absicherung“, erklärte sie. Und weiter: „Wenn es drauf ankommt, sind unsere Ehrenamtlichen als Erste zur Stelle – Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen, die verschiedene Kompetenzen einbringen, ohne lange zu fragen.“ Neun von zehn Kräften im Bevölkerungsschutz seien ehrenamtlich tätig. „Und doch müssen viele für einen Einsatz Urlaubstage opfern. Das darf nicht so bleiben“, forderte Hasselfeldt.

Unterstützung für ihre Haltung findet die DRK-Spitze auch bei Feuerwehr und THW. Dort werden Einsatzkräfte für Einsätze, Übungen und Weiterbildungen, die während der Arbeitszeit anfallen, von Ihren Arbeitgebenden freigestellt. „Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erhalten hierfür Verdienstausfall, sodass der Lohn der Arbeitnehmenden ohne Abstriche fortgezahlt werden kann“, sagte eine Sprecherin des THW und betonte gleichzeitig die Bedeutung des Ehrenamts für die Organisation. „Ehrenamtlich aktive Menschen sind für das THW unerlässlich. Denn: Das THW besteht zu 98 Prozent aus Ehrenamtlichen. Sie bilden die Basis des THW“, erklärte sie.

Malteser Rettungsdienstübung im Würmtal, 2024
Eine Übung für den Ernstfall: Helfer müssen dafür in einigen Bundesländern Urlaub nehmen. © picture alliance / SZ Photo | Florian Peljak

Ehrenamt: Die Bundesregierung will ehrenamtliches Engagement stärken

Auch die Feuerwehren würden bundesweit einheitliche Regelungen bei der Helferfreistellung begrüßen, sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, dieser Redaktion. „Für die Einsatzkräfte der Feuerwehren ist die Freistellung bereits einheitlich geregelt. Ohne diese ehrenamtlichen Kräfte wäre das Feuerwehrsystem in Deutschland nicht möglich“, erklärte er. Laut Verband kommen deutsche Berufsfeuerwehren lediglich auf rund 35.700 Angehörige, die Freiwilligen Feuerwehren haben hingegen mehr als eine Million Mitglieder.

Die Bundesregierung hatte sich grundsätzlich vorgenommen, das Ehrenamt in Deutschland weiter zu stärken. Doch bei der Helfergleichstellung kommt man seit Jahren nicht weiter, weil Katastrophenschutz Ländersache ist. Darauf weist auch das Bundesinnenministerium, wo man sich „im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine Harmonisierung dieser Regelungen auf Länderebene einsetzen“ will, so eine Sprecherin von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Auch die Staatsministerin für Ehrenamt, einen Posten, den es in dieser Legislatur erstmals gibt, verweist auf Anfrage auf die Zuständigkeit der Länder.

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Ehrenamt: „Organisierte Verantwortungslosigkeit“ – Linke mit vernichtendem Fazit

Der Unions-Berichterstatter für das Ehrenamt, David Gregosz, bringt eine „entsprechende Initiative aus der Mitte der Länder“ ins Spiel. Diese würde sicherlich auch vom Bund positiv begleitet werden, sagte er dieser Redaktion. Auch eine bundeseinheitliche Gesetzesinitiative wäre denkbar. Grundsätzlich sei Unmut der ehrenamtlich Helfenden nachvollziehbar. „Katastrophenereignisse stoppen nicht an Landesgrenzen“, sagte der CDU-Politiker. Niemand sollte sich Gedanken darüber machen müssen, ob die eigene Karriere oder der Arbeitslohn unter dem ehrenamtlichen Einsatz im Katastrophenfall leide, wenn sich das Einsatzgebiet zum Beispiel auf zwei unterschiedliche Bundesländer erstrecke.

Dass sich schnell etwas ändert, glaubt die Opposition nicht. Die Helfergleichstellung werde von Bund und Ländern seit Jahren verschleppt, kritisierte der Linken-Abgeordnete Jan Köstering gegenüber dieser Redaktion. Der Bund verweise stets auf die Länder. „Das wirkt wie organisierte Verantwortungslosigkeit“, sagte er. Köstering fordert bundeseinheitliche Versorgungsregelungen bei denen sich die Ansprüche von kommunalen Retterinnen und Rettern „mindestens auf dem Versorgungsniveau befinden, das für Bundespolizei, Bundeswehr und Technisches Hilfswerk gilt“.