Washington. Erst blockiert Trump Hilfe für die Ukraine. Nun will er Waffen liefern und Moskaus Ölgeschäfte mit Strafzöllen torpedieren. Ernsthaft?

Zwischen dem, was Donald Trump und seine Regierung über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sagen, und dem, was sie dagegen tun oder unterlassen, liegen häufig Welten. Darum mahnen Analysten in Washington zur Vorsicht, das für bare Münze zu nehmen, was seit gestern als Kehrtwende in der Russland-Politik des 47. US-Präsidenten apostrophiert wird. 

Danach will Trump aus tiefer Enttäuschung über die nicht vorhandene Friedenswilligkeit Wladimir Putins seine Zurückhaltung bei der militärischen Unterstützung Kiews und wirtschaftlichen Strangulierung Moskaus aufgeben – und sich aktiv als Waffenhändler pro Ukraine verdingen. Im Interview mit dem Sender NBC sagte Trump: „Wir schicken Waffen an die Nato. Dann wird die Nato diese Waffen (an die Ukraine – d. Red.) weitergeben und die vollen Kosten für diese Waffen erstatten.“ Die Rede ist von einem Paket im Volumen von 300 Millionen Dollar.

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Carlo Masala: Trump, Merz und die Sicherheit Europas

Im Krisenmodus

USA: Trump denkt daran, der Ukraine Flugabwehrsysteme zukommen zu lassen

Dem Vernehmen nach sollen dazu auch Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot gehören, mit denen sich Kiew vor den zuletzt massiv intensivierten Raketen- und Drohnenangriffen Russland besser schützen könnte. Patriot-Systeme können auf 100 Kilometer Entfernung und in Höhen bis zu 30 Kilometer Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper unschädlich machen. Denkbar ist, dass neben Deutschland, das laut Kanzler Friedrich Merz bereit ist, zwei Patriot-Systeme für die Ukraine zu erwerben, auch Länder wie Norwegen in das Geschäft einsteigen, hieß es aus Sicherheitskreisen in Washington.

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Trump kündigte an, seinen Sinneswandel, der sich seit Tagen durch abfällige Äußerungen über Putin abzeichnete, am kommenden Montag in einer „bedeutenden Erklärung“ dem amerikanischen Volk zu erläutern. Vor allem an seiner MAGA-Wählerbasis dürfte das ein Kraftakt werden. Dort gilt die Ukraine-Hilfe, wie sie Vorgänger Joe Biden praktizierte, als strategisch falsch und viel zu teuer. Die Angst, durch Kiew in einen Großkonflikt mit Russland gezogen zu werden, der die Handlungsspielräume gegenüber China einengen könnte, dominiert.

Trump hatte darum schon im Wahlkampf angekündigt, die Militärhilfen einzustellen. Seit Amtsantritt hatte er kein einziges neues Waffenpaket genehmigt, obwohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dutzendfach darum bat. Um seine skeptische Wählergruppe und etliche Influencer in seinem Umfeld zu besänftigen, könnte Trump nach Angaben von Insidern damit argumentieren, dass sein Waffen-Deal keine altruistische Hilfe darstellt, sondern durch den geplanten Verkauf, zu dem auch Angriffswaffen gehören könnten, dreistellige Millionensummen in die US-Kassen spült. 

Putin: Manche US-Republikaner sehen höchsten Zeitdruck

Bis wann und wie genau Kiew militärisch gestärkt werden soll, ist noch unklar. Republikaner alter Schule im Kongress sehen höchsten Zeitdruck. „Putin glaubt, die Ukraine über den Sommer brechen zu können – darum die massenhaften Drohnen-Attacken – und so sein unverändertes Ziel zu erreichen, das ganze Land zu unterwerfen“, heißt es im Umfeld von Lindsey Graham. 

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Der Senator aus South Carolina, ein Intimus von Trump, spielt eine Schlüsselrolle bei der Installierung eines zweiten neuen Standbeins gegen Putin. Aus seiner Feder und der des Demokraten Richard Blumenthal stammt ein Gesetzentwurf, das im 100-köpfigen Senat seit Wochen über 80 Befürworter hat. Es würde Länder wie China oder Indien, die durch Öl-Käufe Russlands Kriegsmaschine am Laufen halten, mit Strafzöllen von 500 Prozent bei Waren-Einfuhren in die USA belegen. Dadurch soll Putin an den Verhandlungstisch gezwungen werden. 

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USA: Trump sagt über Putin, er habe ihm „eine Menge Blödsinn“ aufgetischt

Seit April wollte Trump von dieser Zollkeule nichts wissen; in der Hoffnung, Putin würde noch beidrehen und zumindest einem Waffenstillstand zustimmen. Nach mehreren Telefonaten mit dem Russen konstatierte Trump desillusioniert, dass ihm der Kreml-Herrscher „eine Menge Blödsinn“ aufgetischt habe. Wenn der Senat Trump ermöglicht, besagte Sanktionen flexibel ein- und aussetzen zu können, sagen Berater im Weißen Haus, würde der Präsident das Gesetz „wahrscheinlich noch im Juli unterzeichnen”. Auch im Repräsentantenhaus hört man Zustimmung. „Ich glaube, wir müssen Putin eine Botschaft senden”, sagt der republikanische Sprecher Mike Johnson.

Nato-Gipfel in Den Haag
Schwierige Überzeugungsarbeit Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte US-Präsident Donald Trump (r.) während ihres Treffens am Rande des jüngsten Nato-Gipfels einige Dokumente. © Ukraine Presidency/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa | Ukraine Presidency

Die von Trump angekündigten Waffenlieferungen stellen eine Schubumkehr im Umgang mit Moskau dar. Vor einer Woche verfügte Verteidigungsminister Pete Hegseth hinter dem Rücken Trumps einen Lieferstopp für genehmigtes Kriegsgerät aus der Biden-Ära, auf das Kiew bitter angewiesen ist. Dazu erfand Hegseth die Begründung, in US-Depots gehe die Munition aus – ein Lüge, wie Senatoren später betonten. Zeitgleich brachten massive Bombardierungen von Wohnhäusern in der Ukraine mit vielen Toten Trump mächtig auf. Nach dem vorläufig letzten Gespräch mit seinem russischen Gegenüber sagte er: „Er will bis zum Ende gehen und einfach weiter Menschen töten – das ist nicht gut.”

Offen bleibt, wie nachhaltig die neue Wendung in Trumps Zickzack-Kurs gegenüber Russland und der Ukraine ist. Gradmesser wird sein, sagen ehemalige Diplomaten im Außenministerium, „ob der Präsident seine MAGA-Schreihälse ignoriert und der Ukraine tatsächlich militärisch unter die Arme greift und ob er Russlands Öl- und Gasverkäufe endlich durch ein hartes Sanktions-Regime blockieren lässt.“ In Moskau glaubt man vorläufig nicht daran. Trump pflege generell eine „ziemlich harte Wortwahl“, erklärte Putins Sprachrohr Dmitrij Peskow, „wir nehmen das gelassen“.