Berlin. Der Iran liefert Drohnen für den Ukraine-Krieg und ist der wichtigste Verbündete Putins im Nahen Osten. Russland muss reagieren – nur wie?

Eine unmittelbare Auswirkung des aufflammenden Krieges zwischen Israel und Iran auf Russland gibt es bereits: Die „Tage der russischen Kultur“ im Iran sind abrupt zu Ende gegangen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS sitzen 51 Musiker des Bolschoi-Orchesters in Isfahan fest. Es bestehe „keine Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit“, erklärt das russische Kulturministerium, „derzeit werden mögliche Wege für die Rückkehr russischer Künstler ins Land erarbeitet.“ Per Linienflug ist das schwierig, die russische Luftaufsichtsbehörde Rosaviatsia hat „im Zusammenhang mit der starken Eskalation der Lage“ russischen Airlines Flüge in die Region bis zum 26. Juni untersagt.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Für Russlands Präsidenten Wladimir Putin bedeutet der Krieg einen Spagat. Den Iran braucht man – da geht es weniger um Pauken und Trompeten als um Waffen. Und mit Israel hat Russland traditionell gute Beziehungen. Inzwischen hat Putin mit beiden Seiten telefoniert.

Putin führt Krieg und fordert Diplomatie in Nahost

Im Gespräch mit dem iranischen Staatschef Masoud Pezeshkian verurteilte Putin laut dem Kreml-Pressedienst Israels Vorgehen als Verstoß gegen die UN-Charta und das Völkerrecht und drückte sein Beileid aus „angesichts der zahlreichen Opfer, darunter auch Zivilisten, infolge der israelischen Angriffe.“ Russland sei immer für eine diplomatische Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm eingetreten. Im Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu forderte Putin eine Rückkehr zum Gesprächsprozess. Russland würde sich als Vermittler anbieten. Man müsse „alle Fragen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm ausschließlich auf politischem und diplomatischem Wege lösen“, so der Kreml.

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Scharf reagierte das russische Außenministerium. „Unprovozierte Militärschläge gegen einen souveränen UN-Mitgliedsstaat, seine Bürger, schlafende, friedliche Städte und Atomenergie-Infrastrukturanlagen sind absolut inakzeptabel“, heißt es von dort. Die internationale Gemeinschaft könne es sich nicht leisten, gegenüber „solchen Gräueltaten, die den Frieden zerstören und die regionale und internationale Sicherheit gefährden, gleichgültig zu bleiben.“ Man rufe beide Seiten zur Zurückhaltung auf, „um eine weitere Eskalation der Spannungen und ein Abgleiten der Region in einen umfassenden Krieg zu verhindern.“

Nahostkonflikt - Iran
Israelische Bomben haben auch in Irans Hauptstadt Teheran eingeschlagen. © Uncredited/Iranian Red Crescent Society/AP/dpa | Uncredited

Russland rüstet Iran auf

Doch worum geht es Russland wirklich? In allererster Linie um die guten Beziehungen zum Iran, zumal der russische Einfluss in der Region nach dem Sturz des Assad-Regimes geschwunden ist. Und aus dem Iran kommen Waffen, die Russland im Ukraine-Krieg dringend braucht. Erste Berichte über die Lieferung von Shahed 131 und Shahed 136 Kampfdrohnen tauchten bereits Ende 2022 auf. Sie wurden in großer Stückzahl geliefert – inzwischen werden die Drohnen unter Lizenz auch in Russland gebaut. Aber es geht auch um die Lieferung von Kurzstrecken-Raketen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete im letzten August von einem entsprechenden Vertrag, russische Soldaten würden im Iran an diesen Raketen ausgebildet.

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#17 Omid Nouripour über seine Flucht aus dem Iran – und wie man auf Farsi rappt

Meine schwerste Entscheidung

Umgekehrt scheint der Iran auch an russischer Militärtechnik interessiert, vor allem an Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Luftverteidigungssystemen. „Russland gehört zu den Ländern, die der iranischen Nation in schwierigen Zeiten zur Seite standen“, sagte Staatschef Masoud Pezeshkian laut einem Bericht der iranischen Staatsmedien nach dem Besuch von Sergej Schoigu, dem Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats Russlands. Gemäß der „New York Times“ habe Russland mit der Lieferung von modernen Radaranlagen und Ausrüstung zur Luftraumverteidigung an den Iran begonnen. Iranische Beamte hätten entsprechende Berichte iranischer Medien bestätigt.

Das iranische Regime und Russland profitieren vor allem militärisch voneinander.
Das iranische Regime und Russland profitieren vor allem militärisch voneinander. © AFP | ATTA KENARE

Russland profitiert von gestiegenem Ölpreis

Russland wolle seine guten Kontakte zur iranischen Regierung nutzen und im Atomkonflikt mit den USA zu vermitteln, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Wir haben enge partnerschaftliche Beziehungen zu Teheran.“ Putin wolle diese nutzen, um die Verhandlungen zur Lösung der Frage des iranischen Atomdossiers zu erleichtern und zu unterstützen. Darüber hatte er sich noch Anfang Juni mit US-Präsident Donald Trump ausgetauscht. Ob die Gespräche zwischen den USA und dem Iran in Omans Hauptstadt Maskat allerdings weitergehen werden, das ist fraglich. Über eine Teilnahme an den geplanten Verhandlungen sei noch nicht entschieden worden, sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am Samstag. Ein Dialog mit den USA über das iranische Atomprogramm sei eigentlich nun „bedeutungslos“.

Was Putin sicherlich in die Hände spielt: Aufgrund des Konflikts explodiert der Ölpreis auf dem Weltmarkt. Das bringt auch Russland Profit. Und: Der Krieg in der Ukraine ist aus der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit weitgehend verschwunden. Trotzdem geht der Krieg mit aller Härte weiter. Die russische Armee griff in der Nacht unter anderem die südukrainische Großstadt Saporischschja mit Kampfdrohnen an. Umgekehrt schoss das russische Militär nach eigenen Angaben 66 ukrainische Drohnen über verschiedenen Teilen des Landes ab. Angegriffen wurden eine Chemiefabrik in der südrussischen Stadt Newinnomyssk und eine ähnliche Anlage in der Nähe von Samara an der Wolga. Substantielle Verhandlungen scheinen in weiter Ferne, zumal wohl auch Donald Trump daran das Interesse verloren hat. Zumindest im Moment.