St. Petersburg. Auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg wirbt Putin um internationale Partner und zeigt sich überraschend als Familienmensch.

Bis gegen Mitternacht ließ Russlands Präsident Wladimir Putin auf sich warten. Dann schickte er gleich zwei Botschaften an Bundeskanzler Friedrich Merz, eine freundliche und eine weniger freundliche. Vor Journalisten internationaler Nachrichtenagenturen zeigte sich Putin bei einer mitternächtlichen Pressekonferenz in Sankt Petersburg erstmals zu Gesprächen mit dem deutschen Regierungschef bereit, mit dem er bislang keinen direkten Kontakt hatte.

„Wir sind immer dafür offen“, sagte Putin über ein solches Gespräch mit Merz. Doch wiederholte der Kremlchef auch die altbekannten Vorwürfe: Deutschland und die europäischen Staaten seien nicht neutral, sie kämen als Vermittler im Ukraine-Krieg nicht infrage. Putin erneuerte zudem seine Warnungen mit Blick auf eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine: „Nur deutsche Offiziere können den Taurus lenken.“ Aus russischer Sicht wäre Deutschland dann am Krieg in der Ukraine unmittelbar beteiligt.

Militärisch allerdings würde eine Taurus-Lieferung nichts ändern, versicherte Putin. „Unsere Streitkräfte greifen auf der gesamten Front an“, so der Kremlchef. Für Putin war die Pressekonferenz im Saal des frisch renovierten Petersburger Konservatoriums ein Auftakt nach Maß. Denn Russland nutzt das Wirtschaftsforum, um sich der Welt zu präsentieren und der vom Westen angestrebten internationalen Isolation zu trotzen. Über 20.000 Teilnehmer aus 140 Ländern sind gekommen, berichtet die Nachrichtenagentur Interfax. „Dieses Mal steht das Forum unter dem Motto ‚Gemeinsame Werte sind die Grundlage für Wachstum in einer multipolaren Welt‘“, sagt Präsidentenberater Juri Uschakow. Höhepunkt wird Putins Rede auf der Plenarsitzung am Freitag sein.

Forum in Sankt Petersburg: Russland wirbt um globale Wirtschaftspartner

Ihr Kommen zugesagt haben Vertreter aus vielen Ländern, darunter der indonesische Präsident Prabowo Subianto und Ding Xuexiang, der Vizepremier des chinesischen Staatsrates. Dabei wird es weniger um Politik als um die Wirtschaft gehen. Denn neue internationale Wirtschaftsbeziehungen braucht Russland dringend. Zwar verzeichnet das Land dank Kriegswirtschaft und Rohstoffverkäufen weiterhin ein vergleichsweise hohes Wachstum. Zu schaffen machen aber eine hohe Inflation und ein hoher Leitzins, der Investitionen teuer macht.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Offizielles Gastland des Forums ist in diesem Jahr das Königreich Bahrain, vertreten mit einer über 80-köpfigen Delegation. Hoffnung setzt man in Sankt Petersburg auch auf viele Unternehmer und Fachleute aus den „unfreundlichen Ländern“, sprich: dem Westen. Auch die deutsche Wirtschaft ist vor Ort. „Wir leben in einer multipolaren Welt, und viele Länder sind nicht mehr bereit, nach Vorgaben zu leben“, sagt etwa der Münchner Unternehmensberater Oliver Kempkens. „Die Menschen sind es leid, ständig gesagt zu bekommen, was gut und was schlecht, was richtig und was falsch ist.“ Aussagen wie diese erfreuen Putins Präsidentenberater Anton Kobjakow. „Die Anwesenheit deutscher Partner ist ein Beweis dafür, dass Geschäftsleute ungeachtet der politischen Umstände an einer Zusammenarbeit, einem Erfahrungsaustausch und der Bildung langfristiger Verbindungen interessiert sind“, sagt er.

Wladimir Putin beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg, Russland
Beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg spricht der russische Präsident Wladimir Putin mit Vertreterinnen und Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen. © Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa | Vyacheslav Prokofyev

Vor allem aber haben US-amerikanische Unternehmen großes Interesse an verstärkter Zusammenarbeit. Angesetzt ist unter anderem ein ‚Business-Dialog Russland-USA‘ nach der Wiederannäherung beider Länder unter US-Präsident Donald Trump. „Der Schwerpunkt liegt auf der Identifizierung gemeinsamer Interessen und der Gestaltung langfristiger Partnerschaften“, heißt es im Programm. Unter der Fragestellung: „Wie können die Voraussetzungen für die Wiederherstellung und den Ausbau der Geschäftskooperation zwischen Russland und den Vereinigten Staaten geschaffen werden?“ Moderiert wird die Veranstaltung von Robert Agee, dem Präsidenten der amerikanischen Handelskammer in Russland.

Wladimir Putin privat: Kremlchef verrät persönliches Detail

„Weltweit schauen Länder darauf, was nach dem Ende der Sondermilitäroperation passieren wird“, behauptet der russische Politologe Juri Swetow vollmundig. Bei so viel Anspruch darf auch die Verwandtschaft der russischen Politprominenz nicht fehlen. Wladimir Putins Tochter Jekaterina Tichonowa spricht per Videoschalte. Und Ksenia Schoigu, Tochter des stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Sergei Schoigu, ist für gleich drei Veranstaltungen angekündigt: Es geht um die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Zukunft der Sportverbände und um die Entwicklung von Tourismusmarken. Nicht zu vergessen Putins Großcousine, Russlands stellvertretende Verteidigungsministerin Anna Ziwiljowa. Sie wird laut dem Portal ‚verstka.media‘ an einer Diskussion über den Markt für Kleidung für Menschen mit Behinderungen teilnehmen.

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In Sankt Petersburg präsentierte sich Russlands Präsident Wladimir Putin auch als Familienmensch. Über sein Privatleben spricht der Kremlchef nur äußerst selten. Spätnachts am Mittwoch vor der internationalen Presse aber erwähnte er erstmals öffentlich seine Enkelin – und demonstrierte zugleich die Verbundenheit mit China. „Als ich darüber sprach, dass einige mir nahestehende Menschen, Verwandte, Chinesisch lernen, sprach ich von meiner Enkelin, die eine Erzieherin aus Peking hat und mit ihr fließend auf Chinesisch spricht“, sagte Putin. Dass er zweifacher Großvater sei, hatte er bereits früher erwähnt, ohne jedoch Namen, Alter oder Geschlecht der Enkelkinder zu nennen.