Berlin. Unüberlegte Worte gefährdeten die Beziehung von Therapeut Straden. Heute empfiehlt der Therapeut diese 5 Strategien für mehr Harmonie.

  • Familientreffen und Patchwork-Konstellationen sind eine besondere Herausforderung – nicht nur bei Festen oder an Feiertagen
  • Kommunikationsprobleme sorgten selbst beim Paartherapeuten für Missverständnisse
  • Mit diesen fünf Tipps können Familien Konflikte und Spannungen vermeiden

Wir wollten alles perfekt machen. Zum ersten Mal alle zusammen Ostern feiern, die ganze Mischpoke: meine beiden Mädels, die beiden Jungs meiner Frau und die Enkel. Klassisches Patchwork als Familie eben. Meine geliebte Ehefrau und Kollegin wirbelte durch das Haus, um alles österlich zu dekorieren. Wie immer vor Feiertagen waren die Tage dicht vollgepackt mit Terminen und Verpflichtungen: Die Praxis war voll, die Handwerker noch bis auf den letzten Drücker am „werkeln“ und eingekauft werden musste auch noch. Kurz gesagt: Wir waren am Anschlag.  

Dann kam der Anruf meiner ältesten Tochter. Sie verkündete, dass sie mit unseren beiden Enkelkindern zwei Tage früher als geplant kommen wolle. Sie habe schon zwei Tage eher Urlaub bekommen und die Enkel würden sich so sehr darauf freuen, Oma und Opa zu sehen.

Auch wenn es nun noch etwas trubeliger werden würde, freute ich mich sehr. Ich besprach mit meiner Tochter die Zeiten, in den wir Klienten in unserer Praxis haben würden. In dieser Zeit müsste sie sich dann mit den Kindern mit der Uroma treffen. Für alles war eine Lösung gefunden. Ich war happy – typisch Mann.  

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Als ich meiner Frau voller Freude von den geänderten Plänen berichtete, brach der Sturm los. Sie war fassungslos: „Das ginge gar nicht. Wie soll das funktionieren? Franzi müsse mit den Kindern im Hotel schlafen.“ Wir stritten uns. Es war das erste Mal, dass eines meiner Kinder nicht in unserem Haus übernachten sollte. Auch ich war fassungslos.

Und ich war zutiefst gekränkt. Also schickte ich den ersten apokalyptischen Reiter ins Schlachtfeld, eine bildhafte Bezeichnung für ein destruktives Verhaltensmuster, das die Partnerschaft ernsthaft gefährden oder sogar zum Scheitern bringen kann. Ich sagte: „Wenn es dein Sohn wäre, müsste dieser dann auch im Hotel übernachten?“

Passend dazu: Wie „vier apokalyptische Reiter“ Ihre Ehe vorhersagen können.

Danach sandte ich den nächsten Reiter, ein Begriff, den der bekannte Paarforscher John Gottman prägte, in die Schlacht: „Du mit Deinem Perfektionismus. Kannst du nicht mal eine Fünf gerade sein lassen? So schlimm ist nun auch nicht!“ Meine Frau konterte: „Du nimmst keine Rücksicht auf mich. Du denkst nur an Dich.“ Die Streitspirale aus wechselseitigen Kränkungen drohte sich zu verselbständigen.  

Zum Glück sind wir selbst Paartherapeuten. Daher konnten wir – dem Himmel sei Dank - diese Situation schlussendlich konstruktiv, aber mit viel Aufwand, lösen. Wir haben unseren Frieden wieder gefunden, haben es aufgearbeitet und die gegenseitigen Verletzungen verziehen. Ostern wurde dann doch noch ein gelungenes Miteinander.  

Aber was war hier passiert? Was können wir Paaren, die sich in Patchwork-Situationen befinden, für die anstehenden Feiertage mit auf den Weg geben? Eine sehr liebe Freundin von uns sagte einmal: „Scheidung bringt automatisch ein schlechtes Gewissen mit sich.“ Wie wahr. Scheidung bedeutet immer persönliches Scheitern, persönliches Versagen, Verlust, Schmerz und Kränkung. 

Gisbert Straden & Andrea Katz

Genau wie seine Frau Andrea Katz ist Gisbert Straden ausgebildeter Paar- und Sexualtherapeut. Zuvor war er als Dozent für Wirtschaftspsychologie tätig. Gemeinsam mit seiner Frau, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet, betreibt er die Praxis „Von Paar zu Paar“ in Berlin. In ihrer Beziehungskolumne „Wie Katz und Straden“ beleuchten sie gemeinsam Beziehungsprobleme und suchen nach Lösungen – sowohl aus der Perspektive erfahrener Therapeuten als auch aus ganz persönlicher Sicht, mit eigenen Konflikten und Herausforderung in der Beziehung.

Dies führt in der Folge dazu, dass wir es „wiedergutmachen wollen“. Und das wiederum führt dazu, dass wir uns selbst und unseren neuen Partner dabei oft überfordern. Aber wir haben fünf Tipps, von denen wir glauben, dass sie helfen: 

  • Klären der gegenseitigen Erwartungen – keine stillschweigenden Übereinkünfte: Einer der wesentlichen Punkte ist, im Vorfeld die gegenseitigen Erwartungen klären und in Ruhe zu besprechen. Was ist dem einen und was ist dem anderen wichtig. Worum geht es. Erwartungsmanagement ist das Zauberwort. Gerade in Patchworkfamilien besteht das Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen. Um so wichtiger ist es, Feiertage sehr gut im Vorfeld zu besprechen.
  • Ausloten, was gut für alle Beteiligten ist: Wo sind die Grenzen des Partners? Was kann er beziehungsweise sie leisten? Wo ist sein, wo ist unser Limit? Wo und ab wann beginnt die Überforderung? Weniger ist eindeutig mehr. Und alle Beteiligte meint hier wirklich alle Beteiligten. Es gilt ebenfalls auszuloten, was für die Kinder gut ist. Auch Kinder wollen es im Grunde allen recht machen und keine „Partypupser“ sein. Hier sind die Eltern gefordert, aktiv auf die Kinder zuzugehen und anzusprechen, was geht und was nicht geht. Je früher, je besser. 
  • Klarheit über Kränkungen: Oftmals wird die Ablehnung des Partners für eine bestimmte Vorgehensweise als Kränkung erlebt. Meine Kinder sind nicht gewollt. Dieser Aspekt der möglichen Kränkungen im Gesamtsystem ist nicht zu unterschätzen. Gerade in Paarbeziehungen laufen wir in solchen Situationen Gefahr, dass wir uns in der ein oder anderen Weise vom Partner bedroht sehen oder in unserer Einschätzung herabgesetzt fühlen. Die Angst vor diesen wechselseitigen Kränkungen führt in aller Regel dazu, dass eben nicht gesprochen wird. Insbesondere bei den eigenen Kindern ist die Angst vor Ablehnung und Zurückweisung groß. Doch das Fatale: Der Anspruch, alles richtig machen zu wollen, bewirkt oft das genaue Gegenteil. Mutig sein, und das ansprechen, was bewegt, ist das Mittel der Wahl. 

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  • Nach außen eine Einheit bilden und kein Blatt dazwischen lassen: Aus unserer Sicht ist es mit das Wichtigste und zugleich auch mit das Schwierigste für Patchworkpaare, nach außen eine Einheit zu bilden. Ein Paar – ein Wort. Auch wenn der spontane Impuls, den eigenen Kindern gegenüber eher ist, darauf hinzuweisen, dass es ja nicht an „mir“ gelegen hat, so wäre dies der Todesstoß für gelungene Feiertage im Familienkreis. Diese Illoyalität dem eigenen Partner gegenüber, würde nie verziehen werden können.
  • Offene Kommunikation – auch wenn es weh tut: Kommunizieren Sie offen mit Ihrem Partner, was die jeweilige Entscheidung mit Ihnen macht. Haben Sie den Mut, auch über Ihre Verletzung und über Kränkung zu sprechen. Nur so vermeiden Sie, innere Isolation und inneren Rückzug. Einigen Sie sich auf eine gemeinsame Sprachregelung – und halten Sie sich daran! Immer. Haben Sie Vertrauen in die Stärke Ihrer Kinder. Sie werden sich wundern: Kinder jeden Alters verstehen mehr als Sie glauben.