Berlin. Streit bedeutet oft Rückzug. Paartherapeut Gisbert Straden weiß aus Erfahrung: Eine simple Technik entschärft Konflikte und schafft Nähe.
- Wenn Partner sich bei einem Streit zurückziehen statt zu diskutieren, steckt oft mehr dahinter als das bloße Bedürfnis nach Ruhe
- Paartherapeut Gisbert Straden schildert, warum auch er lernen musste, mit seiner Frau zu streiten
- Mit einem einfachen Ampel-Trick zeigt er, wie Paare wieder in Kontakt kommen – ohne sich zu überfordern
Viele Paare kommen zu uns in die Praxis und beklagen, dass sie sich als Paar verloren haben. Sie berichten, dass die Kommunikation schwierig geworden sei. Einer von beiden fühlt sich weder gesehen noch gehört. Auch meine Frau und ich kennen das. Es gibt immer wieder Phasen, in denen sie sich nicht verstanden fühlt oder in denen ich den Eindruck habe, nicht wahrgenommen zu werden.
Ich bin anders aufgewachsen als viele Männer: Mein Vater ist gestorben, als ich sechs Jahre als war. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter, wurde mir immer das Gefühl vermittelt, dass ich liebenswert bin. Ich stand im Mittelpunkt. Zudem habe ich früh gelernt, dass die Art und Weise und der Ton im Umgang miteinander entscheidend sind. Emotionen wie offene Wut oder Aggression waren verpönt – und ich meine Gefühle daher immer kontrolliert. Deshalb fällt es mir heute schwer, mit Wut umzugehen.
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Beziehung: Warum viele Paare an ihrer Kommunikation scheitern
Viele Männer haben keinen leichten Zugang zu ihrer Gefühlswelt und können oft schwer zum Ausdruck bringen, was gerade innerlich bei ihnen los ist. Ich habe diesen Zugang – immer. Das ist manchmal Fluch und Segen zugleich. Für mich bedeutet Bindung, gesehen und gehört zu werden – im Gespräch, im Austausch mit meiner Frau und Kollegin. Sprache ist mein Werkzeug, mein Zugang zur Welt. Ich neige dazu, viel zu sprechen, was meine Frau manchmal überfordert.
Zieht sie sich nach einem emotionalen Streit, nach einem Wutanfall zurück und möchte erst einmal nicht reden, dann empfinde ich das als Liebesentzug. Ich erstarre innerlich, fühle mich ungerecht behandelt, gar bestraft – ein Muster passiver Aggression aus meiner Kindheit und Jugend.
Eheprobleme: Worte schaffen nicht immer Verbindung
Dann versuche ich vieles, mit Worten zu klären – mit Worten, die sie oft in diesem Moment nicht hören möchte. Ich versuche meine Frau mich Worten zu erreichen, ohne zu realisieren, dass das für sie häufig der falsche Weg ist. Für sie wird es zum „Wortschwall“.
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Meine Neigung, Dinge aus allen Perspektiven zu betrachten, empfindet sie als überwältigend. Zudem ist für mich oft nicht das, was gesagt wird, sondern wie es formuliert wird, entscheidend. Inhalte sind schnell geklärt – aber die Art der Auseinandersetzung und wie wir streiten, beschäftigen mich noch lange. Ich erkenne vermeintlich grundsätzliche Muster unserer Kommunikation und ziehe Beispiele aus der Vergangenheit heran, um deutlich zu machen, worum es mir eigentlich geht – für sie oft ein Grund zur Verzweiflung.
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Für meine Frau werden einzelne Vorfälle dadurch zu sehr aufgebläht, alte Geschichte unnötig aufgewärmt werden – und ich verstehe die Welt nicht mehr. So eskalieren Konflikte. Am Ende geht es nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch um Sichtweisen. Wir entfernen uns von dem, was mir eigentlich wichtig ist: echte Verbindung.
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Beziehung und Kommunikation durch spezielles Training verbessern
Viele Paare erleben Ähnliches – oft mit vertauschten Rollen. Während Frauen häufig reden möchten, fokussieren sich Männer eher auf inhaltliche Lösungen.
Fragen zu Beziehung & Liebe? Unsere Experten helfen
Sollten Sie Fragen zu einem Partnerschaftskonflikt oder sonstigen Beziehungsthemen haben, schreiben Sie uns einfach unter beziehung[at]funkemedien.de. Die Anfragen werden gesichtet, sortiert und gegebenenfalls anonymisiert veröffentlicht. Unsere Beziehungsexperten, Paar- und Sexualtherapeut Gisbert Straden und seine Frau, geben dann Antwort auf die wichtigsten Fragen.
Hier vier Tipps für Paare in solchen Situationen, die auch uns helfen:
1. Gefühle ausdrücken lernen
Führen Sie regelmäßig Gespräche mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin. Steigen Sie dabei mit folgenden drei Leitfragen ein:
- Wie geht es mir mit mir? (Hier geht es um die eigenen Gefühle)
- Wie geht es mir mit dir? (Was fällt mir an meinem Partner oder meiner Partnerin auf? Wie erlebe ich ihn oder sie?)
- Wie geht es mir mit uns? (Wie erlebe ich uns als Paar? Wie gehen wir miteinander um? Was nervt mich? Was gefällt mir?)
Planen Sie dafür Zeit ein – auch zur Vorbereitung. Führen Sie dieses Gespräch am besten mindestens einmal pro Woche.
Gisbert Straden & Andrea Katz
Genau wie seine Frau Andrea Katz ist Gisbert Straden ausgebildeter Paar- und Sexualtherapeut. Zuvor war er als Dozent für Wirtschaftspsychologie tätig. Gemeinsam mit seiner Frau, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet, betreibt er die Praxis „Von Paar zu Paar“ in Berlin. In ihrer Beziehungskolumne „Wie Katz und Straden“ beleuchten sie gemeinsam Beziehungsprobleme und suchen nach Lösungen – sowohl aus der Perspektive erfahrener Therapeuten als auch aus ganz persönlicher Sicht, mit eigenen Konflikten und Herausforderung in der Beziehung.
2. Bedürfnisse erkennen und kommunizieren
Wenn Sie sich oft zurückziehen oder Schwierigkeiten haben, Ihre Bedürfnisse zu benennen, dann üben Sie täglich, in sich hineinzuspüren und Ihre Gefühle mit dem Partner oder der Partnerin zu teilen. Eine Hilfe kann dabei etwa eine sogenannte „Ampel-App“ fürs Smartphone sein.
Halten Sie vor dem Nachhausekommen oder bevor Sie Ihren Partner treffen kurz inne und fragen Sie sich,
wie es Ihnen gerade geht:
- Rot: Ich bin überfordert und am Limit – warum auch immer
- Gelb: Ich bin gestresst
- Grün: Es geht mir gut
Dann senden Sie Ihrem Partner nur die Farbe, die Ihrem Gefühlszustand am ehesten entspricht. Wichtig: Die Antwort des Partners oder der Partnerin darauf lautet nur: „Was brauchst du?“ oder „Was würde dir helfen, wenn wir uns sehen?“ – ohne Nachfragen, was los ist.
Ihre Antwort könnte dann etwa lauten: „Einen Kaffee.“ Oder: „20 Minuten für mich.“ Mehr nicht. Dadurch lernen Sie innezuhalten, Ihre Gefühle wahrzunehmen, sie mitzuteilen – auch ohne große Worte. Sie lernen auszudrücken, was Sie brauchen. Und Sie erleben, dass jemand für Sie da ist.
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3. Achtsam sprechen lernen
Versuchen Sie mit zunehmender Übung mit der Ampel, im Alltag liebevoller, achtsamer, aber auch direkter auszudrücken, wie es Ihnen geht – und was Sie brauchen. Wenn auch das Gegenüber die Ampel nutzt, lernen Sie so, aufeinander zuzugehen. Sie werden beide kompetenter im Umgang miteinander. Das stärkt die Beziehung nachhaltig.
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4. „STOP-Signal“ vereinbaren
Wenn es doch einmal zu viel wird, einigen Sie sich auf ein klares Signal zum Innehalten. Es bedeutet für beide: Wir pausieren und ziehen uns zurück. Vereinbaren Sie jedoch vorher einen Zeitpunkt, wann sie später wieder weiterzusprechen und über kritische Punkte diskutiert wird. Weniger ist mehr – auch beim Reden. Ehrliche Kommunikation braucht nicht viele Worte, sondern echte Präsenz.