Berlin. Kristin Helberg widerspricht dem Feindbild-Narrativ – das sorgt bei Lanz für hitzige Debatten über Israels Sicherheitspolitik.

„They are fighting so hard, they don‘t know what the fuck they‘re doing.“ Mit dieser derben Einschätzung kommentiert US-Präsident Donald Trump die Eskalation zwischen Israel und dem Iran – und offenbart, wie wenig Überblick und Kontrolle er in dieser Phase noch zu haben scheint. Eine Waffenruhe? Von Trump verkündet, von beiden Seiten gebrochen – und damit kaum mehr als eine diplomatische Illusion.  

Bei Markus Lanz am Dienstagabend wird klar: Es geht nicht nur um Raketen, Regime und Realpolitik. Sondern auch um die Frage, wie Narrative entstehen – und wer von der Eskalation profitiert.

Trump erklärt den Krieg für beendet – doch die Bomben fliegen weiter 

Trump verkündet am Montag auf seiner Plattform „Truth Social“ das Ende des Konflikts. Doch kurz darauf berichtet die israelische Luftwaffe von einem Angriff nahe Teheran – als Reaktion auf iranische Verstöße gegen die Waffenruhe, so die Begründung aus dem Büro von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu

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Katrin Eigendorf, ZDF-Sonderkorrespondentin in Tel Aviv, ordnet das Geschehen nüchtern ein: „Netanjahu weiß, dass er überzogen hat. Aber die Tatsache, dass Amerika nun involviert ist, nutzt ihm.“ Denn auch die USA haben am Wochenende drei iranische Atomanlagen angegriffen. 

Markus Lanz nennt Trumps Ton „erfrischend klar“. Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington, wird deutlicher: „Man bemerkt, wie flach und dilettantisch agiert wird.“ Ein historischer Moment, der jedoch weniger nach Diplomatie aussieht – und mehr nach Inszenierung.  

Helberg widerspricht dem Bedrohungsnarrativ: Ist Israel wirklich umzingelt? 

Den zentralen Konflikt des Abends löst Nahost-Expertin Kristin Helberg mit einem Satz aus: „Ich habe dem Narrativ widersprochen, dass Israel umgeben ist von Feinden.“ CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kontert entschieden: „Der Staat Israel ist in seiner Existenz massiv bedroht – durch Hamas, Hisbollah, die Houthi-Rebellen.“ Auch Eigendorf widerspricht Helberg – es entsteht eine hitzige Debatte, in der es nicht nur um Fakten geht, sondern um deren politische Funktion. 

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Helberg bleibt dabei: Die israelische Regierung nutze die iranische Bedrohung, um von der Palästina-Frage abzulenken. „Netanjahu hat eine politische Doktrin begonnen – die Atomfrage ins Zentrum rücken, damit niemand über Gaza spricht.“ Eigendorf ergänzt: „Die Regierung verfolgt eine radikale Siedlungspolitik, die den Palästinensern Land nimmt.“  

Netanjahu und das „fünf vor zwölf“-Narrativ

Der zweite Schlagabtausch findet zwischen Lanz und Kiesewetter statt. Als der Moderator Archivmaterial zeigt – Netanjahu warnt seit 1996 vor der iranischen Bombe – fragt Lanz süffisant: „Wie oft kann man fünf vor zwölf sagen?“ Kiesewetter verteidigt den israelischen Premier: „Netanjahu hat früh und richtig gewarnt.“ 

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Lanz fragt nach: „Aber ist das nicht ein Narrativ, das Angst instrumentalisiert?“ Es folgt ein zermürbender Schlagabtausch, bei dem beide laut und unnachgiebig sind. Oft versteht man kein Wort. Kiesewetter zieht schließlich historische Parallelen: Ohne Regimewechsel durch die Alliierten wäre es nie zur Befreiung der Konzentrationslager gekommen. Doch einen solchen Wandel könne man nicht herbeibomben – das habe man im Irak gesehen.  

IAEA meldet: Iran lagert fast 409 Kilo 60-Prozent-Uran 

Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) schlägt Alarm. Laut ihrem Bericht verfügt der Iran über rund 409 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent – weit mehr, als für eine zivile Nutzung nötig wäre. Damit begründet Trump seinen Angriff am Wochenende auf die drei Anlagen, die zur Anreicherung von Uran dienen. Wie viel dabei wirklich zerstört wurde, ist noch immer unklar.

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„60 Prozent Anreicherung heißt, der Iran ist zu 90 Prozent durch mit der Vorbereitung einer Atomwaffe“, erklärt Nuklearexperte Fabian Hoffmann. Das offiziell genannte Ziel – medizinische Isotope – sei nicht glaubwürdig. Dafür reichten 20 Prozent. Dass der Iran überhaupt so weit gehen konnte, sei eine direkte Folge von Trumps Ausstieg aus dem JCPOA-Abkommen 2018, sagt Hoffmann. Dieses hatte auch nicht-offizielle Atomanlagen streng kontrolliert.  

Droht Iran mit Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag?

Kristin Helberg blickt auf die nächsten Eskalationsstufen: „Offenbar will der Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten.“ Eine Entwicklung, die nicht nur sicherheitspolitisch heikel ist, sondern auch Europas Versäumnisse offenlegt. Helberg kritisiert: Europa habe beim Raketenprogramm ebenso versagt wie bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft im Iran.  

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Während sich Israel militärisch gegen die iranische Bedrohung positioniert, bleibt das Leid der Palästinenser im Gazastreifen chronisch. Internationale Organisationen dürfen keine Lebensmittel mehr verteilen. Stattdessen übernimmt die neu gegründete, US-israelisch kontrollierte „Gaza Humanitarian Foundation“ – mit tödlichen Konsequenzen. Bei der Essensausgabe sterben regelmäßig Menschen. 

Katrin Eigendorf mahnt: „Die Regierung Netanjahu verfolgt eine radikale Siedlungspolitik, die Palästinensern ihr Land nimmt.“ Sie zweifelt an Netanjahus Verlässlichkeit als internationalem Partner: „Ich halte ihn nicht für vertrauenswürdig.“  

Wer treibt den Frieden voran – und wer profitiert vom Krieg?

Was bei Lanz deutlich wird: Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran spiegelt sich auch in der Art, wie darüber gesprochen wird. Kristin Helberg versucht, die Narrative zu entwirren – und wird schnell scharf angegriffen. Markus Lanz stellt bohrende Fragen – und beißt sich an Kiesewetter fest. Es ist eine Sendung, die zeigt, wie nötig politische Debatten sind – aber auch, wie schwer es ist, inmitten von Bedrohungsszenarien noch differenziert zu argumentieren.