Berlin. Der Einsatz der Überwachungssoftware bei der deutschen Polizei sorgt für Diskussionen. Was Digitalminister Wildberger davon hält.

In J. R. R. Tolkiens Fantasy-Klassiker „Der Herr der Ringe“ sind Palantíri Kugeln aus schwarzem Glas, die es denjenigen, die sie beherrschen, ermöglichen, Dinge zu sehen, die anderen verborgen bleiben. Dinge, die bereits stattfinden. Aber auch Dinge, die passieren könnten und auf deren Verlauf man noch Einfluss nehmen kann. „Sehende Steine“ werden sie in der Saga genannt.

Sehen, was anderen verborgen bleibt – und so Taten verhindern, bevor sie passieren. Das verspricht auch das Unternehmen Palantir, das 2003 unter anderem vom in Frankfurt am Main geborenen Tech-Milliardär und Politik-Strippenzieher Peter Thiel gegründet wurde. Die Firma, die von Thiels Freund und Mitgründer Alex Karp geleitet wird, hat mächtige Kunden, darunter das US-Militär und den Geheimdienst CIA. Heute ist Palantir an der Börse knapp 360 Milliarden US-Dollar schwer (rund 311 Millionen Euro). Kein deutsches Unternehmen bringt eine so hohe Marktkapitalisierung mit.

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Palantir: Datenschützer waren vor Einsatz der Software

Palantirs Analysesoftware kann große Datenmengen aus verschiedensten Quellen miteinander verknüpfen und aufbereiten. Genutzt wird sie etwa in der Terrorismusabwehr und in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität – und das auch in Deutschland. Zugleich aber ist sie hoch umstrittenen, Datenschützer warnen vor ihrem Einsatz.

Dabei ist sie längst im täglichen Gebrauch. Die Landespolizeien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen nutzen bereits angepasste Versionen der Palantir-Software „Gotham“ – auch hier greifen Karp, Thiel und Co. auf einen Namen zurück, den Fantasy-Fans bestens kennen: „Gotham“, das ist die düstere Stadt aus dem „Batman“-Universum.

Weniger düster klingt die Software dagegen in den Bundesländern: „DAR“ heißt die Software in Nordrhein-Westfalen, „VeRa“ in Bayern und „HessenDATA“ in Hessen. Auch in Baden-Württemberg soll die Software künftig genutzt werden können.

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Die Nutzung aber bleibt umstritten. Der Programm-Code ist ein Geschäftsgeheimnis von Palantir, ob es versteckte Hintertüren gibt, ist unklar, auch wenn bei einer ersten Überprüfung in Deutschland durch das Darmstädter Fraunhofer-Institut nichts gefunden wurde. Hinzu kommt: Die Software verarbeitet auch Daten von unschuldigen Personen, die fälschlicherweise verdächtigt werden könnten, monieren Datenschützer. Dritter Kritikpunkt: Wieder macht man sich von einem großen US-Tech-Unternehmen abhängig, dieses Mal in einem hochsensiblen Sicherheitsbereich.

Auf der anderen Seite wird die Software für ihre Funktionen bei der Polizei geschätzt. Auch Digitalminister Karsten Wildberger findet: „Menschen und Staaten, die andere wertepolitische Vorstellungen haben und ganze Länder bedrohen, nutzen zunehmend Technologie. Wir sollten ebenfalls Technologien nutzen, um unseren Staat und unsere Demokratie zu schützen. Wenn ein Anbieter eine solche Technologie bereitstellt, sollten wir in sie investieren.“ Zugleich betonte der CDU-Politiker gegenüber unserer Redaktion: „Wir sollten aber auch europäische Unternehmen haben, die solche Lösungen bieten können.“

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Digitalminister Wildberger wirbt um digitale Souveränität

Wildberger gab das Ziel aus, dass Deutschland digital souveräner werden müsse. Zu viel habe man in der Vergangenheit ausgelagert, „ob in der Verteidigung, der Energiebeschaffung, der industriellen Produktion und auch bei der Digitalisierung“.

Allein 75 Prozent der Cloud-Lösungen, die derzeit genutzt würden, kämen von großen US-Tech-Konzernen. Es müsse darum gehen, „selbst unsere Talente zu nutzen, um an den riesigen Wachstumsfeldern zu profitieren“. Hierbei sieht der CDU-Politiker auch den Bund in der Pflicht, der selbst Ankerkunde bei deutschen und europäischen Unternehmen werden müsse.

Dafür muss es die entsprechenden Unternehmen mit den passenden Angeboten aber auch geben. Bei Palantir zumindest scheinen einige Bundesländer noch keine Alternative zu sehen.